Am 30.03.2023 hat Michael Wäschenbach im Plenum des rheinland-pfälzischen Landtags eine Rede zum Thema Kinderschutz gehalten. Darin spricht er über die Speicherung von IP-Adressen, um Fälle von Kindesmissbrauch nachverfolgen zu können. Wäschenbach spricht sich für die Speicherung von IP-Adressen aus. "Es geht nicht um eine Sammelwut, es geht nicht um private Chatkontrollen. Es geht nicht um George Orwell und Big Brother. Es geht um den Schutz der Schwächsten in unserer Gesellschaft. Ich bin überzeugt, dass wir die richtige Balance finden können, um die Privatsphäre der Bürger zu schützen und gleichzeitig die Kinder vor schrecklichen Verbrechen zu bewahren", so Wäschenbach.
Im Folgenden die vollständige Rede:
Sehr geehrter Herr Präsident/Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren!
Wir setzen heute unsere gemeinsamen Bemühungen für die Verbesserung des Kinderschutzes in RLP im Jahr 2023 fort – so hoffe ich zumindest.
Angesichts steigender Zahlen von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen bekräftigen wir die dringende Notwendigkeit, Kinder und Jugendliche besser vor Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung zu schützen.
Das Bundeskriminalamt hat ein umfangreiches Archiv angelegt, in dem zahlreiche Fälle dokumentiert sind, die mangels sogenannter Vorratsdatenspeicherung unaufgeklärt blieben.
Es geht uns doch nicht darum, der Polizei per se sämtliche Kommunikationsdaten aller Bürger zur Verfügung zu stellen, sondern es geht uns darum, in konkreten Verdachtsfällen den Zugriff auf bestimmte Datensätze zum Kinderschutz zu ermöglichen.
Diese Daten sind ja bereits bei den Providern vorhanden, sie müssen nur für einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen.
Wir fordern daher, die Möglichkeiten und Grenzen, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil zur Speicherung von IP-Adressen gesetzt hat, vollständig zu nutzen und durch eine Verkehrsdatenspeicherung den Schutz von Kindern im Internet zu verbessern.
Wenn die Internetkommunikation von Verdächtigen aufgezeichnet und mindestens drei Monate -oder wie andere sagen mindestens 10 Wochen- gespeichert wird, können Strafverfolgungsbehörden die Beweise sammeln, die sie benötigen, um Täter zu überführen und unsere Kinder zu schützen.
Und Herr Dr. Kugelmann, wir verstehen, dass Datenschutzbedenken bei der Verkehrsdatenspeicherung aufkommen können. Daher fordern wir eine sorgfältige Überprüfung der Richtlinien und Verfahren, um sicherzustellen, dass nur relevante Daten gespeichert und nur in Fällen von sexuellem Missbrauch von Kindern verwendet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich kann Ihnen folgende Zahlen nicht ersparen:
Für Rheinland-Pfalz weist die Polizeiliche Kriminalstatistik 2022 (PKS) bei der Verbreitung, dem Erwerb, dem Besitz und der Herstellung jugendpornographischer Inhalte (Erzeugnisse) einen Anstieg um 173 (+62,5 %) auf 450 Fälle aus.
Die Verbreitung, der Erwerb, Besitz und die Herstellung kinderpornographischer Inhalte stieg 2022 gegenüber 2017 um +1.780 Fälle bzw. sage und schreibe 620,2 %.
Oder einfacher ausgedrückt:
Hier bei uns gibt es 2000 Fälle pro Jahr, das sind 10 Fälle pro Arbeitstag. Von 2020 auf 2021 hat sich die Zahl verdoppelt, von 2017 an versechsfacht.
Das betrachtet auch der Kinderschutzbund RLP mit großer Sorge und verlangt dringlich Abhilfe.
Wir wissen um die Besonderheit des Anstiegs wegen der häufig unter Schülern verbreiteten kinder- und jugendpornographische Abbildungen innerhalb von Chatgruppen. Aber diese sind nicht nur statistisch durch die Polizei zu betrachten.
Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,
die Polizei ist damit überlastet. Sie braucht mehr Zeit, eine bessere Ausstattung und eine höhere Präsenz im Darknet, die Polizei muss auch da sichtbarer sein.
Allein in den vergangenen fünf Jahren konnten über 19.000 Hinweise auf sexuellen Kindesmissbrauch, die den deutschen Behörden allein vom US-amerikanischen NCMEC (National Center for Missing and Exploited Children - NCMEC) übermittelt wurden, nicht aufgeklärt werden, weil die IP-Adresse bei den Providern nicht mehr vorhanden war.
Dieser Zustand ist unerträglich und muss beendet werden!
Deshalb müssen die bestehenden gesetzgeberischen Möglichkeiten vollständig ausgeschöpft werden.
Die Speicherung von IP-Adressen ist im Vergleich zur Speicherung sonstiger Verkehrs- und Standortdaten wesentlich weniger eingriffsintensiv. Der Grundrechtseingriff ist deutlich geringer und vor dem Hintergrund des Allgemeininteresses einer effektiven Strafverfolgung schwerster Kriminalität verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.
Nicht zielführend sind nach Expertenmeinung andere Vorschläge – wie etwa das von Bundesjustizminister Buschmann favorisierte sog. „Quick-Freeze-Verfahren“.
Denn: Daten, die nicht mehr vorhanden sind, können nicht eingefroren werden. Die Forderung nach „Quick-Freeze“ lenkt von den tatsächlich notwendigen und geeigneten Maßnahmen ab. Auch eine „LOGIN-Falle“ wird wohl nicht den erhofften Erfolg bringen.
Ich zitiere aus der Zeitschrift der Kriminalist des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (11/2022):
Auf die anlasslose Vorratsdatenspeicherung völlig zu verzichten, wäre verfassungs- und europarechtswidrig.
Die bisherigen deutschen Regelungen der Vorratsdatenspeicherung waren bzw. sind verfassungs- oder europarechtswidrig, weil zu eingriffsintensiv. Deshalb jetzt auf Speicherungspflichten völlig zu verzichten, wäre ebenfalls verfassungs- und europarechtswidrig. Der Bundesgesetzgeber ist aufgefordert, die in dem EuGH-Urteil aufgezeigten Regelungsspielräume zu nutzen und damit seine grundrechtlichen Schutzpflichten zu erfüllen.
Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,
lassen Sie uns deshalb gemeinsam vorangehen und bitten wir die Landesregierung eindringlich im Bund tätig zu werden.
Herr Minister Ebling, Herr Minister Mertin, Frau Ministerin Binz,
setzen Sie sich bitte mit einer Bundesratsinitiative für ein Gesetz ein, welches das rechtssichere Speichern von IP-Adressen ermöglicht und dadurch dazu beiträgt, Kinder vor sexuellem Missbrauch zu schützen und schwerste Kriminalität effektiv zu bekämpfen. Weitere Details enthält unser Antrag.
Es geht nicht um eine Sammelwut, es geht nicht um private Chatkontrollen. Es geht nicht um George Orwell und Big Brother. Es geht um den Schutz der Schwächsten in unserer Gesellschaft.
Ich bin überzeugt, dass wir die richtige Balance finden können, um die Privatsphäre der Bürger zu schützen und gleichzeitig die Kinder vor schrecklichen Verbrechen zu bewahren.
Das Fazit der CDU Landtagsfraktion ist:
Datenschutz darf kein Täterschutz sein!
Vielen Dank!
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